Um es gleich vorweg zu sagen: Wir bemühen uns, uns an alle Empfehlungen und Vorgaben zu Hygienemaßnahmen zu halten, soziale Kontakte zu vermeiden usw. Wir haben keine Angst davor, krank zu werden, sondern leisten unseren kleinen Beitrag dazu, die Schwachen und Gefährdeten zu schützen. Ich werde hier keine Sicherheitsempfehlungen oder medizinischen Ratschläge u. ä. geben. Dazu gibt es unzählige andere Informationsquellen. Ich möchte euch lediglich einen Einblick geben, wie meine Familie mit der Situation umgeht und in den kommenden Wochen vorhat, umzugehen. Dabei haben wir eine gute Balance gefunden, finde ich, indem wir äußerst vorsichtig sind, ohne Panik zu haben oder andere in Panik zu versetzen. Soviel dazu, jetzt geht es los.

Am Freitagmittag kam mein ältester Sohn breit grinsend wie ein Honigkuchenpferd aus der Schule gerannt und wir sind uns lachend in die Arme gefallen. Der Grund war klar: Die Schule fällt für fünf Wochen aus. Ebenso der Kindergarten. Das habe wir erstmal ausgiebig gefeiert. Und feiern es immer noch. Nicht weil wir Schule und Kindergarten nicht mögen. Ich finde es aber immens wichtig, den Kindern in dieser Zeit, in der viele ausrasten, nicht nur ein Gefühl von Ruhe zu vermitteln, sondern dass wir uns diese außergewöhnliche Situation schön machen. Denken wir mal an unsere Schulzeit zurück: Wenn damals die Osterferien auf fünf Wochen verlängert worden wären, hätten wir nicht auf dem Tisch getanzt? Also ich ja, obwohl ich eigentlich gern zur Schule gegangen bin. Deshalb feiern wir hier jeden freien Tag, auch um der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass wir uns nicht zu irgendetwas gezwungen oder zu Hause festgesetzt fühlen, sondern dass wir die gemeinsame Zeit als ein besonderes Geschenk für unsere Familie ansehen.

Ich weiß nicht genau, wie viel die Kinder wirklich von dem verstehen, was gerade passiert. Vermutlich verstehen es die wenigsten Menschen in vollem Umfang. Ziemlich sicher bin ich aber, dass die Kinder spüren, dass das Leben gerade anders ist als sonst. Deshalb möchte ich sie auf keine Fall zusätzlich beunruhigen. Sie wissen um die Situation, dass wir wir bspw. die Großeltern nicht sehen oder Freunde besuchen können. Wir sprechen ganz offen mit ihnen darüber, dass wir auch nicht wissen, wann wir uns wieder treffen können. Kinder haben ein feines Gespür, aber vielleicht weil wir kein Geheimnis daraus machen, sind sie bester Laune und wir haben hier jede Menge Spaß zusammen.

Gänseblümchen, gepflückt von meinem Jüngsten, um mir eine Freude zu machen.

Für manche mag es so wirken, als tanzten wir auf dem Vulkan. Mag sein. Aber wer weiß, ob der Vulkan überhaupt ausbricht?

Ich kann es wirklich nachvollziehen, dass viele sich Sorgen um die Gesundheit der Älteren machen. Dass es große Probleme mit der Kinderbetreuung gibt. Dass einige Angst vor dem Verlust der Existenzgrundlage oder allgemein vor „der Zukunft“ haben. Obwohl die meisten im Moment zur Untätigkeit gezwungen sind, drehen viele schon mal vorsorglich durch.

Es ist ja auch kaum zu glauben, wie sich unser Leben, unsere ganze Welt gerade auf den Kopf stellt. Jeder Tag entwickelt eine neue Dynamik – und viele lassen sich davon mitreißen wie von einer Monsterwelle.

Dass ihr mich nicht falsch versteht, gewiss befinden wir uns alle derzeit in einer Ausnahmesituation und ich verurteile niemanden, der Schwierigkeiten hat, mit dieser Situation umzugehen, warum auch immer. Es ist richtig und wichtig, dass wir möglichst zu Hause bleiben und Sozialkontakte vermeiden.

Aber wisst ihr was? Ich mag mich davon nicht aus der Bahn werfen lassen. Ich finde, gerade jetzt ist die Zeit, um Ruhe, Besonnenheit und Zuversicht auszustrahlen. Hilfe anzubieten, freundlich zu sein, vor allem den Kindern Normalität und Lebensfreude zu vermitteln. Und die Niedergeschlagenen aufzumuntern.

Narzissen, im letzen Jahr gepflanzt, in diesem Jahr wieder gewachsen als Geschenk der Natur

Gestern war ein sonniger Tag, den wir draußen im Garten verbringen konnten. Es gibt (bislang) keine Ausgangssperre in Deutschland, d. h. jeder kann raus gehen. Und wer keinen eigenen Garten hat, geht in den Wald, falls er dort noch allein ist. Oder auf den Balkon. Oder macht einfach mal das Fenster auf und lässt die Frühlingsluft herein.

Ist es nicht großartig, die Bilder aus Italien zu sehen, wie die Menschen an den Fenstern und auf Balkonen stehen und gemeinsam Musik machen und singen? Ist es nicht eine wunderbare Empfehlung, beim Händewaschen zwei Mal „Happy Birthday“ zu singen? Ich singe tatsächlich laut, um es den Kindern vorzumachen, und verlange auch von ihnen, beim Händewaschen laut mitzusingen. So herrscht gleich gute Laune.

Also, ich bin fröhlich, auch wenn die Situation ungewohnt ist. Denn damit mache ich anderen und vor allem mir selbst das Leben leicht. Ich tue anderen und mir selbst damit etwas Gutes.

Viel Hilfsbereitschaft erlebe ich um mich herum, das können wir sicher alle beobachten. Alle bieten sich gegenseitig ihre Hilfe an für den Fall der Fälle, dass jemand in Quarantäne muss. Älteren Menschen wird angeboten, Einkäufe für sie zu erledigen, falls sie die Wohnung nicht verlassen möchten. Es gibt spontane und kreative Absprachen für die Kinderbetreuung, virtuelle Alternativen für ausgefallenen Veranstaltungen, Aufmunterungen und Zuspruch. So zeigt sich in wirklichen Notsituationen der Zusammenhalt und die Solidarität untereinander. Wichtig finde ich dabei, sich nicht von Angst leiten lassen. Es droht uns keine Lebensgefahr, wenn wir das Haus verlassen. Wenn man mal davon absieht, dass sich, wer am Straßenverkehr teilnimmt, statistisch gesehen einer größeren Gefahr aussetzt. Aber das ist ein anderes Thema.

Meine Wochen- und Essensplanung habe ich etwas umgestellt, damit ich möglichst selten einkaufen gehen muss. Der Haushalt muss trotz allem gemacht werden, klar, aber ich versuche, viel zu vereinfachen, damit ich mehr Zeit habe, für meine Kinder und meinen Mann da zu sein. Ich gebe ihnen Nähe und Zuversicht, und ich hole mir diese aber auch von ihnen, wenn ich sie brauche. Und vielen unserer Liebsten, die wir nicht sehen können, versuchen wir, virtuell nahe zu sein. Es vermittelt mir ein großes Glücksgefühl, zu spüren, dass Menschen sich Gedanken um andere machen und sich überlegen, was sie für sie tun können. Oder eben gerade nicht tun, weil sie ihnen am meisten helfen, wenn sie eine persönliche Begegnung vermeiden. Ich finde, ehrlich gesagt, die Aufforderung „soziale Kontakte vermeiden“ eigentlich wahnsinnig hart und schmerzhaft. Ist es nicht unsere menschliche Nähe und Gemeinschaft, die unser Leben am allermeisten ausmacht? Aber ist stelle bei mir und denen in meiner Umgebung fest, dass man dieses Gemeinschaftsgefühl auch anderweitig herstellen kann. Wie gut tut es, wenn man eine kurze Mitteilung bekommt, in der sich ein lieber Mensch erkundigt, ob es uns gut geht und dass er oder sie an uns denkt. Übrigens finde ich es auch auffällig, wie viele Menschen sich in der Öffentlichkeit Gedanken machen, wie man bestimmte Berufsgruppen unterstützen kann, wie ein virtueller Ersatz für ausgefallene Kulturveranstaltungen gefunden werden kann, wie Arbeitgeber unkonventionelle Möglichkeiten für den Schutz der Mitarbeiter und/oder für die Kinderbetreuung anbieten. Es gibt viel Positives, dass gerade in unserer Welt passiert, das ich vor wenigen Tagen nicht für möglich gehalten hätte. Hurra, es menschelt wieder!

Das allseits bekannte Motto von Don Bosco, dass vielleicht für manchen völlig abgedroschen sein mag, finde ich in diesen Tagen so passend, so schlicht und gerade deshalb wirkungsvoll, wenn wir es umsetzen: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“

Wir machen deshalb auch das, was uns gut tut. Ich freue mich jeden Tag, dass draußen der Frühling Gas gibt. Dass die Vögel singen. Dass so viel blüht. Dass die Sonne schon warm ist. Wir haben so viel Zeit füreinander, weil alle Termine abgesagt wurden. Es ist alles entschleunigt – und die ganze Familie genießt das sehr. Die Kinder bauen ausgiebig drinnen mit ihren Bausteinen und Spielsachen, im Garten mit Brettern, Stöcken und Steinen. Dafür nutze ich die Gelegenheit, Erfahrung zu sammeln im Backen von Sauerteigbrot. Bislang hatte ich nicht die Ruhe dazu, weil ich ständig irgendwo pünktlich sein musste. Jetzt mache ich es ganz bewusst und die ersten Versuche sind mir großartig gelungen.

Zwischendurch machen wir Musik mit den Kindern oder auch ohne sie. Das ist jetzt nicht konzertreif. Aber es macht Spaß und zu singen macht die Seele leicht. Man kann nicht miesepetrig sein und gleichzeitig singen. Das klappt nicht, probiert es mal aus. Vielleicht beim Händewaschen?

Basteln, Spiele spielen, Hörspiele rauf und runter hören. Und ja, auch Bildschirmzeiten gehörten schon immer zum Alltag unserer. Das hat sich auch jetzt nicht geändert, es ist aber auch nicht mehr geworden, weil es für die Kinder eine Option von vielen anderen ist.

Dazu habe ich ein paar Projekte, die ich nähen, reparieren, ausmisten will. Und nicht zu vergessen: telefonieren. Ich habe das große Bedürfnis, die Menschen, die wir momentan nicht treffen können, anzurufen, mit ihnen zu sprechen oder auch Fotos zu schicken. Es erfüllt mich innerer Wärme zu hören und zu sehen, dass es ihnen gut geht. Und manch einer, der nicht gerade von drei (Klein-)Kindern umgeben ist, freut sich, wenn er oder sie durch ein Telefonat ein bisschen Abwechslung hat oder etwas loswerden kann.

Wir verwöhnen uns mit leckerem Essen. Ich gebe mir besonders viel Mühe, etwas zu kochen, das alle mögen und auch meinen Ansprüchen genügt, gut für meine kleine Mannschaft zu sein. Wir pflegen unsere Hobbys, die wir schon längere Zeit vernachlässigt haben. Ein gutes Buch oder ausgiebig Zeitung lesen – ihr wisst, wie sehr ich das liebe. Jeder hat doch etwas, wozu er schon so lange nicht mehr gekommen ist oder war er oder sie gern macht und was gut tut.

Niemand weiß, was die nächste Zeit bringt. Ich bin aber sehr gelassen. Erstens kann ich die Situation ohnehin nicht ändern. Und zweitens leben wir in einem der am besten entwickelten Ländern der Welt mit einer stabilen Wirtschaft und Machthabern, die sich augenscheinlich um einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Situation bemühen. Niemand, ob mit politischer Verantwortung oder nicht, hat je eine vergleichbare Situation erlebt, daher bin ich sehr vorsichtig bei der Beurteilung von Verhaltensweisen anderer Menschen. Außerdem ist mir sehr wohl bewusst, dass die meisten hier in Deutschland sich in einer ganz besonders privilegierten Situation befinden. Gerade deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir alle gefordert und in der Lage sind, nicht nur die Situation „irgendwie zu meistern“. Ich habe den Anspruch, meinen Kindern zu zeigen, dass wir in einer absoluten Ausnahmesituation und großer Verunsicherung unser Leben mit Stärke, Genuss, Freude und offenem Herzen leben. Vielleicht ist das eine „Lektion“, die sie für ihr gesamtes Leben und ihren Umgang mit künftigen Schwierigkeiten prägen wird. Oder auch nicht. Aber dann hatten wir wenigstens eine großartige Zeit zusammen.

In diesem Sinne: Habt Vertrauen, dass alles gut ist und wird, passt auf euch auf, seid lieb zueinander und macht euch eine wunderschöne Zeit.

Von Herzen alles Liebe,
Pippa