Der Sommer in diesem Jahr hat wirklich seinem Namen alle Ehre gemacht, bei allen damit verbundenen Nachteilen. Ein großer Vorteil ist jedoch, dass bestimmte Obst- und Gemüsesorten bei diesem Wetter ganz hervorragend gedeihen konnten. Die Erdbeerzeit im Frühsommer beispielsweise haben wir hier in vollen Zügen genießen können. Aber auch jetzt noch ernten wir buchstäblich die Früchte dieses Sommers. Wir haben in unserem Garten das große Glück, dass einiges wächst, ohne dass wir große Mühe in den Anbau stecken müssen. Außer dass wir sie hin und wieder beschneiden müssen. Neben dem Rhabarber und den Brombeeren gehören dazu ein paar Tomatenpflanzen, diverse Kräuter, unsere Weinstöcke und die Apfelbäume.
Die Weinstöcke haben schon für manche Erheiterung gesorgt. „Haha, das nördlichste Weinbaugebiet in Deutschland. Wann können wir denn den edlen Tropfen probieren?“ Wenn aber dann die Trauben reif und essbar sind, sind gerade diese Spötter überrascht, wie üppig unsere Ernte und zuckersüß die Trauben sind.
Mit unserem Apfelbaum verhält es sich noch kurioser. Er ist ziemlich klein, völlig schief gewachsen und diverse Hobby-Obstbauern haben schon geraten, also der Baum müsse ja mal dringend vernünftig beschnitten werden, sonst würde das auf Dauer nichts mit der Ernte. Wir sollten uns da doch mal schlau machen. Bislang hat der Herr des Hause auch weiterhin nach Gutdünken ein paar Zweige abgeschnitten, so wie er es für richtig hielt. Das Ergebnis ist, dass sich auch in diesem Jahr wieder die Äste fast bis auf die Erde biegen und die Fülle der Äpfel kaum tragen können. Das Gute im Vergleich zu den Weintrauben ist, dass wir diejenigen Äpfel, die wir nicht rechtzeitig verspeisen können, auch beispielsweise zu Apfelmus verarbeiten und als Vorrat anlegen können. Je nach Geschmack mit Zimt, Anis und Nelken gewürzt (ohne zusätzlichen Zucker!), lauwarm und mit Schlagsahne dazu ist das derzeit eines unserer liebsten Desserts. Besonders die Kinder sind absolute Apfelmus-Fans.
Die Freude über unsere eigene Ernte, die wir teilweise wirklich fast ohne Mühe erreicht haben, macht mich zugleich stolz, aber auch demütig. Wir haben im Frühjahr die Schönheit der Apfelblüte bewundert und das Wachstum der Apfel in unregelmäßigen Abständen beobachtet. Und jetzt ernten wir unsere eigenen Früchte. Sie schmecken uns vielleicht gerade deshalb so gut. Es lässt mich aber auch das andere Obst und Gemüse, dass wir kaufen oder von Freunden und der Familie aus deren Garten geschenkt bekommen, nochmal mit anderen Augen sehen. Natürlich legen wir großen Wert darauf, möglichst keine Lebensmittel zu verschwenden. Wenn ich mir jedoch vergegenwärtige, wie lange es gebraucht hat, bis dieser Apfel, diese Traube oder Tomate in unserem Garten so köstlich geworden ist, erhält sie noch mal einen anderen Wert als den Preis, den sie auf dem Markt kosten würde. Und dass es so viele Menschen gibt, denen eine, satt machende, gesunde Ernährung oder gar eine Auswahl an Lebensmitteln nicht möglich ist, lässt mir bei aller Begeisterung über meine Leckereien manchmal den Bissen im Halse stecken bleiben.
Deswegen hat für mich das inzwischen etwas altmodisch anmutende Erntedankfest so eine große Bedeutung bekommen. Zu Beginn des Herbstes sich der Üppigkeit der diesjährigen Ernte bewusst zu werden und dankbar zu sein für das, was uns nicht nur am Leben erhält, sondern auch für Genuss und Gaumenfreuden sorgt, tut gut, es „erdet“. Die wenigstens von uns sind Bauern oder Selbstversorger. Gerade deshalb ist es so wichtig, eine andere Beziehung zu unseren Nahrungsmitteln zu haben als sie nur als plastikverpackte Tomate aus Holland oder Äpfel aus Neuseeland zu sehen. Aufgrund des langen, heißen Sommers droht den Bauern in Deutschland die schlechteste Ernte seit Jahren, so dass wohl auch höhere Lebensmittelpreise auf uns zu kommen werden. Ich würde mir wünschen, dass damit auch grundsätzlich eine höhere Wertschätzung einhergeht für die Kräfte der Natur, die Arbeit der Bauern und ein moderates Klima, das Wachstum überhaupt erst möglich macht.
Ich denke, jeder, der in irgendeiner Weise etwas Essbares in seinem Garten wachsen lässt, kennt dieses Gefühl. Die Generation unserer Großeltern hatte früher ganz selbstverständlich einen Nutzgarten mit Kartoffeln, Bohnen, Möhren, Kohlrabi, Salat, Kräutern, Äpfel, Kirschen, Birnen, Pflaumen, Nüsse und jede Menge Beeren im Garten. Es wurde wochenlang eingekocht und eingemacht, was dann als Wintervorrat angelegt wurde. The human Eichhörnchen, sozusagen. Als Kind habe ich das zwar alles wahrgenommen, aber es war so normal für mich, dass ich die Besonderheit dessen erst in den letzten Jahren erkannt habe. Wie so viele meiner Generation übrigens auch, das Einkochen erlebt ja durchaus ein Revival momentan. Und auch die amerikanische Tradition, Thanksgiving am letzten Donnerstag im November zu feiern, schwappt seit einigen Jahren zu uns herüber. Es erscheint nicht ganz so altmodisch wie Anfang Oktober Erntedank zu feiern, hat aber den gleichen guten Gedanken: Dankbarkeit und Wertschätzung für das, was uns am Leben erhält, was uns gut tut und Freude bereitet.
Vielleicht magst du dich dieser Tradition anschließen? Ein kleines „Erntefest“ feiern? Du musst ja nicht gleich die ganze Nachbarschaft einladen, aber mit deinen Liebsten an einem Sonntag oder anderen Tag ein besonderes Essen zubereiten, den Tisch herbstlich dekorieren. Möglicherweise gibt es ja auch das eine oder andere aus deinem Garten oder von deinem Balkon, was du besonders in den Mittelpunkt stellen kannst. Bewusst in den Blick nehmen, was unseren Körper nährt und dabei an das Zitat von Winston Churchill denken: „Man muss dem Körper Gutes tun, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“
Teile doch gern deine Ideen und Anregungen in den Kommentaren oder verlinke mich auf Instagram „@natuerlichpippa“. Ich bin so gespannt, wie du den Herbst feierst.
Alles Liebe und ein frohes Erntedankfest,
Pippa